Rumkommen

Reisegeschichten

Au revoir y hola!

Sep 302016

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Die französischen Pyrenäen der Ariège

Sechs Wochen lang habe ich bei Familie Stoelker im schönen Saurat-Tal der französischen Pyrenäen verbracht. Um mir mein gemütliches Zimmer und drei Mahlzeiten am Tag zu verdienen, gab es verschiedene Jobs für mich. Deborah und Jon kommen aus England und wohnen seit acht Jahren in den Pyrenäen. Sie haben damals ein Grundstück gekauft, zu dem ihr Wohnhaus und eine "Gîte" (Ferienhaus für Gäste im Sommer und Winter) gehören. Das ganze befindet sich am Nord-Hang des (vor allem für Kletterer) beeindruckenden Berges Calamès.

Debs schlägt mir das erste große Projekt vor, an das ich mich wagen könne: In der Vergangenheit hat die Familie am Hang hinter dem Wohnhaus Schweine und Hühner gehalten. Das Gebiet ist dann aber, nach dem die Tiere nicht mehr waren, komplett verwuchert. Nun ist die Frage, wie man das Gelände in Zukunft nutzen kann. Die erste Idee ist: ein kleiner Zeltplatz mit Kompost-Toilette. Kompost? Das kenne ich doch schon aus Schottland! Natürlich habe ich darauf Lust!

Allerdings bedeutet das, zunächst den Boden zu ebnen, da es sich ja um einen Hang handelt. Mit Spitzhacke und Schaufel bewaffnet, brauche ich einige Tage, um die steinige Erde zu einem geraden Plateau zu verwandeln:

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Es ist gerade so genug Platz für ein großes 5-Personen-Zelt. Das soll aber ausreichen für den Anfang. Also weiter zum Ebnen der Fläche für das Kompost-Klo. Was würde ich nur ohne die Spitzhacke und die irische Schaufel tun?

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Jon hat ein paar alte Paletten von den Baustellen mitgebracht, auf denen er zur Zeit arbeitet. Eine wird als Fußboden genutzt und die anderen nehme ich auseinander, um damit die Wände zu verkleiden.

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Und so sieht dann das Endprodukt aus mit transparentem Dach, Tür, Klositz und Klopapierhalter:

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Die beiden Söhne Dylan (9) und Nathan (8) wachsen zweisprachig auf. Nathan ist autistisch veranlagt. Seine Eltern erzählen mir davon, dass es in den ersten Jahren extrem schwer war für die gesamte Familie, aber mittlerweile haben sie einen guten Weg gefunden. Nathan kann sogar in eine normale Schule gehen. Er hat dort einen Assistenten, der ihn etwas bei den schwerer zu verstehenden Aufgaben unterstützt. Nathan und Dylan sind beide sehr umgänglich. Sie haben einen gut ausgeprägten Humor für ihr Alter und sind große Lego-Fans. Einen Tag fragen die beiden mich, ob wir nicht eventuell einen Lego-Film drehen könnten. Aber natürlich können wir das! Schließlich habe ich selbst schon drei Jahre meiner Kindheit mit meiner Cousine zusammen damit verbracht, einen Lego-Film zu kreieren. Nathan hilft ein bisschen mit, die unglaublich tiefgründige Story zu entwickeln und trägt zusammen mit der gesamten Familie dazu bei, dem Film die nötigen Sounds zu verleihen. Dylan war sehr geduldig und hat zusammen mit mir die Figuren Bild für Bild zum Leben erweckt.
Hier könnt ihr euch das Endprodukt ansehen:

Mein Französisch ist zwar immer noch quasi non-existent, dafür habe ich aber eine großartige Zeit in den Pyrenäen bei Familie Stoelker. Jon ist Kletterer und hat mich einigen seiner Freunde bekannt gemacht. An meinen freien Tagen hänge ich also meistens am Felsen herum und genieße die Aussicht. Es ist genial hier. Ich lerne viele neue Klettertechniken und Gesteinsarten kennen, denn in Sachsen, wo ich Klettern gelernt habe, gab es schließlich nur bröckeligen Sandstein zu besteigen. Hier finden sich Kalkstein und Granit und die Routen sind extrem gut abgesichert.

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La Massana, Andorra

Ich bin in Bedeilhac und habe die Nacht mal wieder im großen Zelt auf meinem selbstgeebneten Hangboden verbracht. Morgens um 08:30 komme ich zum Frühstück runter, da Jon um die Uhrzeit schon zur Arbeit muss und ich mich von ihm verabschieden möchte. Obwohl es doch immer etwas distanziert war mit den beiden, habe ich das Gefühl, dass wir alle die Zeit miteinander doch sehr genossen haben und die beiden tatsächlich mit meinen Jobs und meiner Anwesenheit zufrieden waren. Sie sind eben Briten und können das nicht so gut ausdrücken, denke ich. Dementsprechend überraschend ist es dann für mich, dass Jon mich zum Abschied umarmt, mir herzlich für meine Arbeit dankt, sich entschuldigt, dass es nicht noch mehr interessante Projekte außer der Kompost-Toilette gab und mir 50 Euro in die Hand drückt. Er hätte mir ja gern den Zug nach Andorra spendiert, aber wenn ich unbedingt hitchen will, soll ich das Geld eben für etwas anderes (z.B. Essen) ausgeben. Ich bin sehr gerührt von dieser Geste und den tollen Worten.

Dann dusche ich und packe in Seelenruhe mein Zeug zusammen. Debs, Liz (Jon's mum), Dylan, Nathan und ich essen noch gemeinsam Mittag. Debs hat mir extra ein Pilz-Ei-Käse-Baguette zur Stärkung gemacht. Auch sie wird noch mal etwas emotional, worauf ich ebenfalls nicht gefasst war und drückt mich ganz lange. Sogar Nathan spendiert mir eine Umarmung, was Debs zufolge nicht häufig vorkommt. Jetzt bloß nichts darauf einbilden. Ich verlasse das Grundstück mit Nathans Rufen: "Thank you for doing the Lego film with Dylan!"

Beim Klettern habe ich Cathy O'Dowd kennengelernt, die mich für ein paar Tage zu sich nach Andorra eingeladen hat und mir ein paar Felsen und via ferratas dort zeigen möchte. Nach 15 Minuten Wartezeit hält ein weißer Transporter an. Zwei Frauen sitzen vorne und öffnen den Laderaum. Ein Mädchen in meinem Alter macht Platz auf der Matratze und es stellt sich heraus, dass sie die Tochter des einzigen Deutschen ist, den ich im Saurat-Tal kennengelernt habe. Hubert macht geniale Holzpfannenwender und verkauft sie auf den lokalen Märkten. Dementsprechend wird sich bis Tarascon nur auf deutsch unterhalten.

Dort warte ich eine ganze Weile und wechsle den Standort. In einer Parkbucht stelle ich mich mit dem Schild hinter das wartende Auto. Als niemand anhält, legt Sergio den Rückwärtsgang ein und lässt mich einsteigen. Er ist auf dem Weg zum Theater-Straßen-Festival in Tarrega. Dort will er Bier verkaufen. Er ist in den spanischen Pyrenäen aufgewachsen, spricht Katalan, Spanisch und Französisch und hat alle möglichen Jobs von Hotelangestelltem über Gärtner bis Skilehrer durch. Doch seine Leidenschaft ist es, Handpuppen zu basteln. In Andorra la Vella setzt er mich ab und gibt mir eine kleine Vorstellung. Die Puppen haben alle einen Schaumstoffkopf und können somit perfekt Emotionen wiedergeben. Wir lachen lauthals auf den geschäftigen Straßen und sprechen Passanten mit den Puppen an. Herrlich!

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Ich schlendere durch die Stadt, vorbei an einer Sauna, die aussieht wie eine riesige gläserne Kirche, schnacke mit ein paar Verkäufern und wandere eine Weile bergauf, bis mich jemand ein kurzes Stück mitnimmt. Von hier sind es nur noch knapp 2 km Fußmarsch bis zu Cathys Haus. Sie hat mir per Mail Fotos geschickt, wie ich zu dem Haus komme und den Schlüssel versteckt, sodass ich es mir schon mal gemütlich machen kann, bis sie vom Klettern wiederkommt. Ich werde von der Katze Cleo begrüßt und kaufe mir eine Falafel-Pita von Jons Geld.

Cathy hat eine dominante Ausstrahlung, ist aber gleichzeitig sehr liebenswert und vor allem hilfsbereit. Ich bekomme ein Zimmer mit eigenem Bad(!) und mein morgiger Tagesplan steht auch schon fest: Via ferrata mit Cathy und danach eine 3-4 stündige Wanderung. Die Karte soll ich gleich schon mal einstecken. Es geht alles relativ forsch voran. So mag ich das. Kein langes Gelaber. Hier ist der Plan und los geht's!

Während sie Abendbrot isst, erzählt sie mir ein paar Geschichten von den wirklich unglaublichen Bergbesteigungen, die sie bereits erlebt hat. Da wären zum einen der Mount Everest, den sie als erste südafrikanische Frau bestiegen hat. Und danach noch einmal von der anderen Seite. Und die Unterstützung des Teams, das eine unbekannte Route des Nanga parbat (8125m in Pakistan) erstbesteigen wollte: Zehn Tage Nahrung waren im Rucksack. An Tag elf drehen vier Leute (inkl. Cathy) um. Zum Basecamp sind es noch zwei Tage. Zwei Leute machen weiter. Nach insgesamt 14 Tagen sind die beiden am Gipfel und brauchen noch vier Tage für den Abstieg. Also acht Tage ohne Essen und ein paar abgefrorene Zehen. Das war es wert, sagen sie.

Wir stehen um sieben Uhr auf, da es gleich morgens mit dem Auto zur via ferrata "Roc del Quer" geht. Der Abstieg vom Parkplatz dauert ca. 20 min und ist ordentlich steil. Da kommen meine Beine schon etwas ins wackeln, bei dem Tempo, das Cathy vorlegt. Und dann geht es 350m bergauf. Mit Selbstsicherung eingeklinkt kann auch nicht viel passieren. Die Sonne bratzt noch nicht zu sehr und es ist eine herrliche Aussicht von diesem Fels. Da es sich um eine via ferrata mit Schwierigkeitsgrad „difícil“ handelt, gibt es sogar einige richtig steile Stellen und einen kleinen Überhang. Das sollte ich mit Papa machen, wenn wir in Barcelona sind.

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Oben angekommen, stehen brabbelnde Sachsen auf der Aussichtsplattform – womit hab ich das verdient? Als ich zu ihnen sage, dass es hier wohl etwas anders aussähe, als auf der Bastei, rufen sie nur erstaunt aus: "Nej, ä Deytschor!" Danach schickt mich Cathy auf den Casamanya, einen 2740m hohen Gipfel, der erst nach der Überwindung von 700-800 Höhenmeter erreicht werden kann und den ich von der Südseite erklimme. Also schön Mittagssonne, natürlich wackelige Beine und schwitzende Füße in den fetten Wanderschuhen. Aber hey, ich hab's tatsächlich bis nach oben geschafft. In 1,5 Stunden. Dafür muss ich da auch erst mal eine ganze Weile ausruhen und tief durchatmen. Eine kühle Brise erfrischt mich dabei.

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Der Abstieg ist ein wenig länger und danach geht es noch einen Waldweg bergab zum schönen kleinen Örtchen „Ordino“.

Abends werden Cathy und ich von ihrem schwedischen Freund Roland und seiner Familie zum Essen eingeladen. Seine Tochter Martina ist auch gerade zu Besuch, denn sie lebt normalerweise mit ihrem Freund Ted Hesser in den Staaten. Die beiden sind auch Kletterer und leider schon am Ende ihres Urlaubs angelangt. Ted erzählt mir von seinen Kletterabenteuern mit der lebenden Legende Alex Honnold. Mit ihm zusammen war er in Angola, um Gebiete von Landminen zu säubern, Felsen erstzubesteigen und in den Dörfern Solaranlagen einzurichten. Dieses Abenteuer hat er auch selbst mit der Kamera festgehalten:

Bevor es für mich auf nach Spanien geht, bietet mir Cathy an, am Morgen noch eine letzte via ferrata zu besteigen und dann würde sie mich auch bis zur Grenze bringen. Ein bisschen Bammel habe ich schon, denn bisher wurde mir von allen Trampern berichtet, dass es quasi unmöglich ist, in Spanien mitgenommen zu werden. So stehe ich ca. zwei Stunden an einer Parkbucht und die ersten, die anhalten, sind drei Spanier auf dem Weg nach Tarrega zum Theaterfestival. Dadurch bin ich schon auf halber Strecke gen Barcelona. Ich muss keine fünf Minuten warten, bis mich ein kubanisches Pärchen einsackt und im Zentrum von Barcelona absetzen. Auf dem Weg fahren wir an den atemberaubenden Bergen von Montserrat vorbei. Die soll ich mir später noch mal von dichtem anschauen.

Familientreffen in Barcelona

Nach 15 Monaten Reisen hat sich nun endlich mal meine Familie zu Besuch angemeldet. Das wurde aber auch langsam Zeit. Da mein Geburtstag im September ist, hat mein Papa vorgeschlagen, dass wir uns in Barcelona treffen könnten und dort eine Woche ganz entspannt zusammen verbringen. Es ist traumhaft! Er hat ein AirBnB-Apartment im Stadtviertel La Gracia gemietet. Dort habe ich mein eigenes Zimmer mit Bett, Balkonzugang und Schrank! (Schränke sind eine der tollsten Erfindungen der Menschheit, man kann alle seine Sachen sehen und einordnen, ohne im Rucksack wühlen zu müssen. Wahnsinn, oder?). Endlich kann ich mir mal eine Großstadt anschauen, ohne jedes Mal zu denken: Wo übernachte ich? Welche Museen haben freien Eintritt? Wo gibt es das preiswerteste Essen? Diese Fragen beschäftigen mich normalerweise den ganzen Tag... Mit Papa kann ich das nun ignorieren und mal wieder richtig Sightseeing machen.

Wir lassen uns Zeit beim Schlendern durch die Straßen, Besichtigen der Gaudí-Werke und Aussuchen der Restaurants. Alles ist ganz entspannt. An einem Tag lernen wir die zwei tschechischen Schwestern Petra und Šárka kennen. Die beiden treffen noch eine spanische Freundin, die in der Nähe der Felsen von Montserrat wohnt. Da ich Papa sowieso schon vorgeschlagen hatte, eine via ferrata dort zu machen, beschließen wir, dort alle gemeinsam zu klettern. Der Ausflug dauert den ganzen Tag und stellt sich als beste via ferrata heraus, die ich bisher geklettert bin. So wird aus dem Stadt-Tourismus sogar noch ein richtiger Erlebnisurlaub!

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Auf dem Weg nach Andalusien

Jordi bietet via Couchsurfing ein Zimmer für Reisende an. Er ist Musiker und lebt in Vila-Real in der Region Valencia. Als ich ihn kontaktiere, um zwei Nächte dort zu verbringen, sagt er, dass er mich sehr gerne aufnehmen würde, aber leider am Samstag nicht in Vila-Real sei, sondern in dem kleinen Dorf Betxí. Dort organisieren seine Freunde einen fahrenden Musik-Wagen, der den gesamten Tag über verschiedene peñas bespielt: alle Nachbarn eines Häuserblocks versammeln sich in einer Garage, kochen mehrere Paellas, stellen Tische davor und feiern die "Festes del Christo". Ich solle einfach nach Betxí kommen und Spaß mit allen haben.

Also steige ich in Barcelona in einen Zug, nachdem ich mich schweren Herzens von meinem Papa verabschiedet habe. Es ist ein sehr seltsames Gefühl, nach so viel familiärer Atmosphäre nun wieder komplett auf mich allein gestellt zu sein und dauert eine Weile, bis ich mich wieder an den Modus "unterwegs" gewöhne. Natürlich fährt der Zug in die falsche Richtung. Ich wollte nur ein kurzes Stück raus aus der Stadt, um an der Autobahn rauszukommen und von dort aus zu trampen. Allerdings gibt es zwei Wege nach St. Vicenc de Calders. Ich habe den falschen gewählt. Aber egal, hauptsache ich bin aus der großen Stadt raus. Es stellt sich als relativ einfach heraus, von Vila-Nova zur Autobahn zu trampen. Ich werde mitgenommen von fünf Autos: Vater und Sohn; ein steinaltes Ehepaar, die mich zur Maut-Stelle bringen; Frau und Kind; einem argentischen Filmproduzenten; und einer kubanischen Familie, die mich extra nach Betxí bringt, obwohl es gar nicht auf dem Weg zu ihrem Zielort liegt.

Jordi empfängt mich herzlich mit einem Bier und stellt mich sofort den Musikern und den Nachbarn der ersten peña vor. Mir wird extra eine vegetarische Auswahl aus allen Paellas zusammengestellt. Am Anfang bin ich leicht überfordert, da alle Leute Valenciano sprechen (das quasi genauso klingt wie Katalanisch, aber eben auch eine andere Sprache ist). Sobald ich aber erkläre, dass ich dieser nicht mächtig bin, kann ich mich getrost mit allen auf dem "Schul-Spanisch" Kastilisch unterhalten. Nach dem Essen werde ich noch zum lokalen Getränk Carajillo eingeladen: Alkohol mit Kaffeebohnen, Zucker, Zimt und Zitrone. Dieser Mix wird dann angezündet, damit der Zucker karamellisiert. Und den besten Carajillo im Dorf macht ein Rumäne.

Ich merke schon, Alkohol und Musik gehören an diesem Tag einfach zusammen. Und nun steigen wir auf den Pickup-Truck (la camioneta). Mit Musikern, Kindern, Freunden und Nachbarn ziehen wir vorbei an den anderen peñas und werden von den Tischen aus bejubelt. Nach einigen Runden durch die Straßen halten wir bei einer peña an. Dort gibt es wieder Freibier für alle und Strom für die Band. Es beginnen "Los Altragos". Die Bandmitglieder kommen fast alle aus dem Dorf, spielen hauptsächlich Coverversionen von Rocksongs aus den 60ern und sorgen für richtig gute Stimmung. Danach betritt Jordis Band "Five Fingers with Parasol" die camioneta und überzeugt nicht nur durch ihren (gemessen am Alkoholpegel) erstaunlichen Groove, sondern auch durch eine sehr amüsante Bühnenshow mit Hawaii-Hemd, passend zur Surf-Musik.

Diese beiden Bands unterhalten noch drei oder vier weitere peñas und mit jedem Auftritt wachsen Zuschauerzahl, Getränkekonsum und Spaßfaktor. Anhand dieser Bildergalerie kann man vielleicht einen Eindruck der Feierstimmung gewinnen:

"Camió Rock" in Betxi 2016

Abends (oder besser am frühen Morgen) fahre ich mit Jordi und Oscar nach Vila-Real. Am nächsten Tag treffen wir uns mit Juan, einem Freund von Jordi in einem Café. Juan ist angehender Fotograf und will eine Bilderstrecke von Musikern erstellen. Ob ich nicht sein erstes Modell sein möchte? Klar, warum nicht? Also treffen wir uns einen Tag später in einer Garage, in die er provisorisch ein kleines Fotostudio eingerichtet hat. Es ist eine sehr entspannte Atmosphäre und so dauert es auch gar nicht lange, bis Juan ein paar brauchbare Bilder im Kasten hat. Er bedankt sich tausendfach bei mir, dass ich mir die Zeit genommen und ihm das Vertrauen geschenkt habe. Und ich bin um eine Erfahrung reicher. Jordi meinte, er könnte das nicht. Singen vor 5.000 Leuten sei kein Problem für ihn. Aber auf einem Foto natürlich wirken? Nee, dafür wäre er viel zu aufgeregt!

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Nun ist es wieder an der Zeit aufzubrechen. Ich möchte nach Andalusien! Jordi empfiehlt mir, auf dem Weg dorthin ein paar Tage in San Pedro zu verbringen. Es handelt sich um eine Art Hippie-Kommune am Strand des Cabo de gata. Dort könne ich getrost mein Zelt aufschlagen und mich als neuen Nachbarn vorstellen. Er bringt mich zur Autobahnauffahrt. Dort kommen aber leider kaum Autos lang, die in Richtung Almería fahren. Zwei Senegalesen nehmen mich mit bis kurz vor Valencia. Mein Rucksack und ich quetschen uns auf die heruntergeklappten Rücksitze, auf denen bereits ein Baugerüst liegt. Sie machen mir Mut, in ihrem Heimatland ebenfalls zu trampen und lassen mich auf einem Rastplatz raus, an dem ich die Leute anspreche, die dort pausieren oder tanken. Ein Franzose bietet mir schließlich an, mich bis nach Murcia mitzunehmen. Die drei Stunden vergehen rasend schnell. Wir unterhalten uns auf Spanisch über seinen Job. Er ist so etwas wie Großhändler für Zitrusfrüchte in Perpignan und es ist sehr interessant die Meinung eines solchen Insiders zum Thema Lebensmittelverschwendung zu hören. Er besteht auch darauf, mich so weit wie möglich zu bringen, auch wenn der letzte Rasthof erst hinter seiner eigentlichen Ausfahrt läge. Doch kurz davor erscheint dann auch schon die zona de servicio. Ein weißer Renault Kangoo mit spanischem Nummernschild nähert sich der Tankstelle. Darin sitzt ein eher mitteleuropäisch aussehendes Pärchen mit einem englischen Reiseführer in der Hand. Seltsame Kombination. Die beiden frage ich mal, wo sie hin wollen. Er kommt aus Holland und sie aus Deutschland. Mit ihrem kleinen anderthalb-jährigen Sohn wollen sie heute in ein kleines Dorf unweit von Las Negras, der Ort, von dem aus ich bis nach San Pedro laufen kann. So verbringen wir locker zwei Stunden zusammen im Auto und ich werde drei Kilometer vor Las Negras rausgelassen. Das erste Auto, das ich sehe, hält sofort an und der alte Italiener bringt mich ins Dorf.

San Pedro ist ein seltsamer Ort. Gelegen in einer wunderschönen Bucht in einer der trockensten Regionen Spaniens. Es kann hier mehrere Jahre nicht regnen. Dieser Fakt scheint besonders viele deutsche Aussteiger anzulocken. Ich schlage mein Zelt kurz vor dem Strand zwischen den Büschen auf und erkunde ein wenig die Infrastruktur. Es gibt einige Fußwege, Wasserquellen und Löcher im Boden, die als Toilette dienen. Oben am Hang steht noch eine alte Burgruine, die aber leider auf Grund von Einsturzgefahr nicht bewohnt werden kann. Der Strand ist sehr schön und das Wasser angenehm warm. An der Küste liegt ein Segelboot vor Anker.

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Es ist schwer zu sagen, wie viele Menschen hier in den Hütten, Höhlen und Zelten wohnen, aber viele sind es nicht. Und trotzdem gibt es sieben Bars! Diese müssen natürlich auch irgendwie mit Bier versorgt werden. Da der nächste Parkplatz aber eine halbe Stunde zu Fuß entfernt ist, müssen zumindest für dieses Stück Träger organisiert werden. Mit den beiden deutschen Reisenden Yannick und Samuel kehre ich Abends bei dem Bayern Franco (ja, er heißt wirklich so) ein. Als er erfährt, dass die beiden Jungs ein Auto auf besagtem Parkplatz stehen haben und damit nur zehn Minuten über eine Schotterpiste bis nach Las Negras zum Bierholen brauchen, schlägt er uns einen Deal vor: Wir schnappen morgen unsere Rucksäcke und gehen mit dem Sachsen seines Vertrauens, Matthias, zum Auto und fahren nach Las Negras. Dort kaufen wir 15 Paletten Bier und tragen diese dann vom Parkplatz runter in die Bucht. Dafür müssen wir wohl zweimal laufen. Als "Lohn" gibt es drei Euro pro getragene Palette und einen Rabatt von 50 Cent auf das Bier in seiner Bar.

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Da wir zwei mal laufen müssen, um den ganzen Einkauf und das Bier in die Bucht zu tragen, ist es bereits Abend, als wir endlich mit den getragenen Bierbüchsen anstoßen. Samuel, Yannick und ich treffen noch weitere Deutsche am Strand, die auch erst vor kurzem angekommen sind. Sie haben von einer Bar gehört, die an einem Berghang liegen soll. Im Dunkeln ist ein eine kleine Herausforderung dorthin zu finden, denn wirkliche Wege gibt es hier mehr. Nur ausgetrocknete Flussbetten. Schließlich hören wir Gitarren- und Querflötenklänge von weitem. Das muss sie sein! Und dort sind dann auch endlich mal Spanisch sprechende Leute, die zusammen Wein trinken und Musik machen. Hier fühle ich mich schon viel wohler, als bei Franco. Es ist ein toller letzter Abend, bevor es dann endlich nach Andalusien gehen soll.

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